Richard-Wagner-Verband Konstanz e.V.

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Richard Wagners Büste im Festspielpark in Bayreuth

Durch Richard Wagners Idee des "Gesamtkunstwerks" (Verschmelzung von Musik, Literatur und Bildender Kunst) und dessen beabsichtigter Wirkung auf sein Publikum ergeben sich schier unermessliche Quer-verbindungen, Zugangsformen, Betrachtungs- und Herangehensweisen - je nachdem für welchen Aspekt man sich besonders Interessiert.


Richard Wagners musikhistorische Bedeutung

Über Richard Wagners musikhistorische Bedeutung sowie über seine Kunst sind Tausende von Bücher und Abhandlungen verfasst worden. Bis zum heutigen Tag stehen sich begeisterte Wagnerianer und nicht weniger aktive Anti-Wagnerianer mit unterschiedlicher Einschätzung seiner Person und seines Lebenswerkes gegenüber, woraus man die große Wirkung seines Schaffens auf die jeweilige Gesellschaft ableiten kann.

Dabei ist Richard Wagners Bedeutsamkeit nicht nur in musikalischer Beziehung relevant. Einzigartig ist ebenso seine bühnendichterische Tätigkeit, sowie dass er die Libretti seiner Opern (er selbst nannte sie „Dichtungen“) selbst geschrieben hat.

Durch diese vertonten Dramen hat er die Gattung Oper im Sinne der griechischen Tragödie erneuert und reformiert: Seine Werke wollen nicht nur unterhalten, sondern beinhalten moralisch-ethische Themen und bewirken kathartische Läuterung.

Die Opern vor Wagners Zeit wurden meist aus literarisch und dramatisch anspruchslosen Texten komponiert. Hier war die Musik die vorherrschende Kunst, der sich alles andere unterzuordnen hatte. Für Wagner dagegen ist der dramatische Text und die Handlung von entscheidender Bedeutung. Als Komponist gelang es ihm, diese seine Dichtungen mit psychologisch wirkender Musik zu vertonen. Seine Musik wird also zu einem neuen dramaturgischen Element, was die jeweilige Gefühlslage der handelnden Personen in der entsprechenden Situation wieder zu spiegeln versteht.


Durch diese Idee des neuartigen Operndramas war Wagners Erfindungsgeist jedoch auch geweckt, was die Ausweitung der dazu benötigten musikalischen Mittel betrifft: In seiner Orchestrierung ertönen zum ersten Mal in der Musikgeschichte die Stimmen der Natur-Elemente wie Feuer, Wasser, Wald, Nacht, Licht ebenso wie die von Siegmund Freud später entdeckte „Tiefe der menschlichen Seele“, welche in Musik umgesetzt Furcht, Hass, Ekstase, Heldenmut oder Glück zu assoziieren vermag. Seine feine und äußerst reichhaltige Handhabung der Orchesterfarben diente als Beispiel für später wirkende Komponisten wie Richard Strauss, Maurice Ravel, Igor Stravinsky, Giacomo Puccini und Bela Bartók ebenso wie für Komponisten von Filmmusik. Wagner schuf mit seiner erweiterten und  bis an den Rand der Atonalität reichenden Harmoniewelt eine bisher nie gekannte Ausdrucksweise innerhalb der bühnendramatischen Handlung.

Seine Dichtungen inspirierten ihn zum Vertonen der sprachlichen Inhalte, und diese Musik diente wiederum der dramaturgischen Entfaltung der Handlung. Zusätzlich ermöglicht die von ihm entwickelte Leitmotivtechnik noch die musikalisch assoziierte Darstellung der unausgesprochenen Handlungen, der Hintergründe, des Wähnens mutmaßlicher Folgen, und sogar der verschwiegensten oder im Unterbewusstsein schlummernden Gedanken der auf der Bühne handelnden Personen. Die Anwendung der Leitmotivtechnik wird dadurch zu einem dritten dramaturgischen Element.

Der berühmte Kritiker Eduard Hanslick, den Wagner in künstlerischer Freiheit in seinen "Meistersingern" als "Beckmesser" sein Unwesen treiben lässt, soll verärgert geäußert haben: "Wenn sich der Heilige Geist heute in Taubengestalt auf die zwölf Apostel niedersenkte, so würde er sich bei diesen zuerst nach ihrer Meinung über Richard Wagner erkundigen."

Richard Wagner war neben Franz Liszt und Johannes Brahms einer der wenigen Komponisten des 19. Jahrhunderts, die ihren Erfolg und eigenen Ruhm noch zu Lebzeiten erfahren haben. Dass dies überhaupt möglich wurde, ist sicher einerseits das Ergebnis kompromissloser und konsequenter Beharrlichkeit im Verfolgen seiner künstlerischen Ziele, wie andererseits der Tatsache zu verdanken, dass sich schließlich - fast schon zu spät - ein König (Ludwig II von Bayern) als Mäzen angeboten hatte.

Richard Wagners Leben und künstlerisches Schaffen ist geprägt von ewigem Missverstanden-Sein, mühevoller Überzeugungsarbeit, ständigem Verbesserungsbedürfnis aller Verhältnisse rund um die Musik- und Theaterlandschaft des 19. Jahrhunderts sowie den Kampf gegen Missgunst und Intrigen.

„Die Gunst der harmonischen Gemütsruhe, wie ich sie zum Komponieren stets bedurfte und stets unter großen Drangsalen mir zu gewinnen suchen mußte, hatte ich auch jetzt erst noch meinem Schicksale unter höchsten Beschwerden abzuringen.“ 1845, während der Arbeit zu Lohengrin.

Diese "Kämpfe" machten sein Leben und Wirken aber auch wieder so interessant, weil sie eng verknüpft sind mit dem damaligen Zeitgeist, den philosophischen wie auch politischen Bestrebungen seines Jahrhunderts sowie der Mode, den Launen und Eigenartigkeiten der jeweiligen Gesellschaft.

Wagner war ein unerbittlicher Verfechter der Wahrhaftigkeit der dramaturgischen Wirkung seiner Werke auf sein Publikum. Jede Oberflächlichkeit oder Seichtheit lehnte er ab und forderte als Schlüssel zum Verständnis seiner Botschaften das intensive Auseinanzersetzen mit seinen Dichtungen und Schriften. Damit stellte er neue und ungewohnte Ansprüche an seine "Konsumenten".

"Von mir ist nicht viel zu sagen, namentlich da so viel über mich gesagt wird. Wer von Früh bis Abend darauf sänne, wie er es anzufangen habe, recht viel Skandal von sich zu machen, der könnte es nicht um ein Haar besser anfangen" (Richard Wagner in einem Brief an den Komponisten Peter Cornelius).

Markus Horsch